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10.03.2015

„Wir waren Flüchtlinge im eigenen Land“

Interview mit Monika Wittke über ihre Erfahrungen in der DDR

Von Anja Heckendorf

Monika Wittke lebt heute in Kehl-Leutesheim. Geboren wurde das CDU Mitglied allerdings in der DDR. Sieben Jahre war sie erst alt als ihre Eltern von der Stasi abgehört wurden. In den 50er Jahren wird ihre Mutter dann verhaftet  - nur knapp gelingt ihr die Flucht in den Westen der Republik. Ein spannender Einblick in das Alltagsleben der DDR Bewohner und Flüchtlinge.

Heckendorf: Frau Wittke, Sie sind als junges Mädchen in der DDR aufgewachsen. Ihre Eltern standen im Fokus der Stasi. Haben sie damals schon verstanden was da vor sich geht? Verspürten Sie eine Bedrohung?

Wittke: Genau den Inhalt verstanden habe ich noch nicht. Ich habe aber damals schon verstanden, dass es hier um etwas geht, was meine Familie und mich bedroht. Wenn die Mutter sich in der eigenen Küche versteckt und mich an das Küchenfenster schickt, um ganz vorsichtig nach draußen Ausschau zu halten, da bekommt auch ein sieben jähriges Kind mit, dass hier Angst und Bedrohung  im Raum ist.

Heckendorf: Sie sind dann damals geflüchtet. Wie haben sie es nach Westdeutschland geschafft?

Wittke: Geflüchtet sind wir am 15.10.1953, meine Mutter, meine beiden jüngeren Brüder und ich. Wir sind zu Fuß zum Bahnhof in Jena gerannt. Meine Mutter bekam gerade einmal eine Stunde Haftbeurlaubung um ihre drei Kinder aus Kindergarten und Kinderhort zu holen. Wir drei Kinder waren aber schon zu Hause. Eine Schwester meiner Mutter hatte uns drei Kinder bereits abgeholt. Meine Großeltern sind  von der Verhaftung unserer Mutter mit vorgehaltener Hand informiert worden. Meine Mutter hat damals auf dem Bahnhof Fahrkarten nach Naumburg gekauft . Sie wollte so schnell wie möglich aus Jena weg. In Naumburg saßen wir die ganze Nacht auf dem Bahnhof bis der erste Zug nach Berlin fuhr. In Berlin Ost war dann erst einmal Endstation. Mein Vater war bereits in Berlin West und traute sich nicht mehr nach Ostberlin. Danach ging alles sehr schnell. Wir hatten ein glückliches Wiedersehen, die Familie war wieder vereint. Nun begann die Prozedur im Auffanglager und das große Warten auf unseren Flug aus Westberlin nach Frankfurt. Wir kamen nach der Ankunft in Frankfurt per Zug nach Ulm an der Donau in ein Flüchtlingslager. Dort blieben wir über den Winter 53/54. Im Frühjahr 1954 verlegte man uns nach Rastatt, wo ich ein zweites Mal eingeschult wurde. So kam ich innerhalb eines knappen Jahres in drei Schulen. In Gaggenau ging es wieder aufwärts, aber wir waren die Flüchtlinge - Flüchtlinge im eigenen Land!

Heckendorf: Haben Sie sich im Westen dann gut aufgenommen gefühlt? Wurden Sie von den Bürgern dort unterstützt?

Wittke: Im Westen haben wir uns im Allgemeinen gut aufgenommen gefühlt. Bei den Bürgern muss ich leider Abstriche machen. Wir hatten manchmal das Gefühl, dass einige Bürger Angst hatten, dass wir ihnen Etwas wegnehmen. Aber wir haben den Bürgern bewiesen, dass wir ihnen eher etwas mitgebracht als weggenommen haben.

Heckendorf: Ihr Vater hat beim Volksaufstand 1953 mitgewirkt - hat er dies später bereut bzw. war ihm bewusst, dass er damit seine Familie in Gefahr brachte?

Wittke: Mein Vater hat sein Leben lang von dieser Episode erzählt, war überzeugt, dass die Teilnahme am Aufstand wichtig und richtig war. Die Familie war ja wieder vereint. Wäre es nicht so gekommen, hätte er vermutlich anders gesprochen. Die Träume der damaligen Teilnehmer sind leider nicht in Erfüllung gegangen. Über 30 Jahre mussten sie auf die Wiedervereinigung warten. Mein Vater hat dieses Wunder noch miterleben dürfen, wer hätte damals solch ein Ereignis erwartet? An meinem Geburtstag saßen meine Geburtstagsgäste, meine Familie und ich vor dem Fernseher und haben geweint. Da dachte niemand mehr an Kaffee und Kuchen. Wir waren einfach überglücklich.

Heckendorf: Hat sie diese Episode Ihres Lebens in ihrem Charakter geprägt?

Wittke: Ganz bestimmt hat mich diese Situation beeinflusst. Ich habe ein ganz bestimmtes Mitgefühl für alle Flüchtlinge und auch die Deutsch-Russen. Für diese Bezeichnung hätte ich gerne einen anderen Namen. Sie sind Deutsche und haben aus vielerlei Gründen in Russland und der Ukraine gelebt. Sie haben dort gelitten, weil sie Deutsche sind und kommen nun nach Jahren zurück und werden wieder als Russen bezeichnet. Da fehlt es meiner Meinung nach noch an viel Aufklärung.  

 Heckendorf: Wenige Jahre nach ihrer Flucht wurde die Mauer gebaut. Haben Sie oder ihre Eltern den Bau damals vorhergesehen?

Wittke: Den Mauerbau haben meine Eltern nicht vorausgesehen, ich schon gar nicht. Hat das überhaupt jemand erwartet? Es war meinen Eltern nicht möglich die eigenen Eltern mal wieder sehen zu können. Meine Großeltern waren noch nicht im Rentenalter und konnten somit nicht zu Besuch kommen. Erst 1963 habe ich mich als 17 jährige nach Jena zu meinen Großeltern getraut. Sie habe ich nach unserer Flucht sehr vermisst.

Heckendorf: Waren Sie seitdem noch einmal in der damaligen DDR? Hat sich dort aus Ihrer Sicht etwas verändert, wenn ja was?

Wittke: Ich war nach dem ersten Besuch bei meinen Großeltern in Jena noch viele Male in der DDR, dies auch nach der Wiedervereinigung. Es hat sich dort viel verändert. Die Bürger der damaligen DDR haben für ihre Freiheit gekämpft, sie haben gesiegt und erreicht, dass nun Ostdeutschland und Westdeutschland zusammengehören. Man kann es nicht allen Bürgern recht machen, aber  wir haben wieder ein vereintes Deutschland und arbeiten noch daran, dass der letzte Bürger, Ost oder West, davon überzeugt sein wird, dass wir zusammen gehören.

Heckendorf: Wie beurteilen Sie aufgrund ihrer damaligen Erfahrungen die Tatsache, dass in Thüringen nun ein linker Ministerpräsident regiert?

Wittke: Ein linker Ministerpräsident in Thüringen? Lassen Sie mal die nächsten Wahlen anstehen. Die Thüringer werden sich wieder eines Besseren besinnen - garantiert. Der Bürger hat gewählt. Nun muss die CDU wieder stärker agieren, dann fällt die nächste Wahl wieder für uns besser aus.